Von Dichtungsmilch bis Schlangenbisse
Die Lebensdauer: Abhängig von vielen Einflüssen
Zwar geben die Hersteller eine Kilometerzahl an, um die Lebensdauer der Reifen zu beziffern. Für Yves Albrecht von Veloplus, steht aber fest: «Dabei handelt sich nur um einen Richtwert.» Denn der Verschleiss eines Pneus ist von mehreren Faktoren abhängig, die Hersteller nicht beeinflussen können.
Massgeblich sind etwa: das Gewicht des Velos und seines Fahrers - je schwerer, desto grösser die Abnutzung; der Untergrund - wurzlige Trails beanspruchen einen Reifen mehr als Asphalt; die Fahrweise - wer an seine Grenzen geht, braucht mehr Gummi; aber auch der Luftdruck - zu wenig Luft im Reifen hat Risse zur Folge. Trotzdem ist auch die Beschaffenheit des Reifens für seine Lebensdauer bedeutend. «Eine weiche Gummimischung macht einen Pneu zwar griffig, aber auch kurzlebiger als eine harte», sagt Albrecht. Denn weiches Material nützt schneller ab. Vor Löchern im Schlauch schützen sogenannte Pannenschutz-einlagen, die in einigen Modellen eingearbeitet sind. Sie verhindern, dass etwa Dornen oder kleine Scherben durch den Pneu hindurch eindringen und den Schlauch beschädigen.
Hinten und vorne: Ist punkto Pneu nicht dasselbe
Vielen Radfahrern ist nicht bewusst, dass der vordere und der hintere Reifen nicht gleich lange durchhalten. Zwar machen sie gleich viele Kilometer und dies jeweils auf demselben Untergrund. Trotzdem sind sie nicht zeitgleich fällig. Denn: Auf dem hinteren Rad lastet der grosse Teil des Gewichts der Fahrerin. Zudem überträgt es die Kraft auf den Boden, die der Fahrer auf die Pedale bringt. Beides wirkt sich auf den Verschleiss aus: Deshalb ist der hintere Pneu in der Regel vor dem vorderen abgefahren.
Der Traumpneu: Nur einer hält (fast) ewig
Es ist der Traum jeder Velofahrerin: Einmal montieren, ewig fahren. Leider ist dies eine Utopie. «Es gibt zwar Vollgummireifen, die ohne Luft auskommen und bis zu 10’000 Kilometer halten», sagt Yves Albrecht. Diese Modelle haben logischerweise auch punkto Pannensicherheit die Nase vorn, denn bei ihnen kann keine Luft entweichen. Allerdings geht dies auf Kosten des Fahrkomforts und des Fahrverhaltens, denn diese Reifen sind extrem hart und haben deshalb keine optimale Bodenhaftung. «Sie sind zudem sehr schwierig anzubringen. Für einen Laien ist das kaum machbar.»
Der Wechsel: So erkennen Sie, wann er nötig ist
Intakte Reifen sind eine Frage der Sicherheit. Deshalb ist es wichtig, sie rechtzeitig zu ersetzen. Laut Albrecht lässt sich auf verschiedene Arten erkennen, wann ein Reifenwechsel ansteht. «Bei Pneus mit Profil ist leicht erkennbar, wenn sie abgefahren sind.» Aber auch Risse an den Flanken eines unprofilierten Reifens sind ein Indiz dafür, dass ein Wechsel nötig ist. Und ist das Innenleben des Pneus wie die Pannenschutzeinlage oder gar die Karkasse - so nennt man das Reifengerüst aus Textil und Gummi - sichtbar, dann ist er «überfällig». «Der Radler muss dann jederzeit mit einem Loch rechnen», sagt Albrecht.
Als Orientierungshilfe stanzen einige Hersteller kleine Löcher in ihre Reifen. Ist der Gummi so stark abgefahren, dass diese kaum mehr sichtbar sind, heisst es: Pneu wechseln.
Luftdruck: Je weniger, desto mehr Komfort
Die Luftmenge, die in einen Reifen gehört, ist nicht nur vom Pneu abhängig. Ebenso von Bedeutung ist, wie schwer der Fahrer ist und wo - aber auch wie - er mit seinem Velo unterwegs ist. Grundsätzlich gilt: Mit steigendem Luftdruck nimmt der Schutz vor Durchschlägen zu, während der Rollwiderstand auf Asphalt sinkt. Umgekehrt bietet tiefer Luftdruck mehr Komfort, aber auch bessere Bodenhaftung, denn der Reifen gibt eher nach und hat eine grössere Auflagefläche. Das bedeutet: Ist eine Radfahrerin auf Tempo auf der Strasse aus, füllt sie mehr Luft ein. Will sie aber eher Komfort oder Halt auf unebenen Wegen, pumpt er weniger Luft in die Pneus.
Umgemünzt auf die verschiedenen Veloarten ergeben sich daraus folgende Richtwerte: In die Reifen von Mountainbikes gehören zwischen 1,5 und 2,5 Bar, in jene von Gravelvelos zwischen 2,5 und 3,5 Bar, und Rennradpneus benötigen zwischen 6 und 10 Bar.
Keine Rolle spielen die Aussentemperaturen. Ist ein Reifen allerdings bis an seine Grenze gefüllt, kann Hitze zur Spielverderberin werden. Denn: Die Luft dehnt sich mit steigenden Temperaturen aus, was den Schlauch platzen lassen kann. Diese Erfahrung machen etwa Rennradler, die ihr Velo im Sommer im Auto transportieren und dieses an der Sonne stehen lassen.
Das Ventil: Das französische Ventil ist Courant normal
Es gibt drei Ventilarten: das französische Ventil, das Autoventil und das Fahrradventil (Dunlop-Ventil). Letzteres wird heute fast nur noch in Citybikes verbaut - und auch dort immer seltener. Das schlanke französische Ventilist heute das gängigste und hält dem höchsten Druck stand. Daneben verbauen die Hersteller auch oft das Autoventil, weil es mit den Luftpumpen an den Tankstellen kompatibel ist.
Die Velofahrerin sollte wissen, mit welchen Ventilen sie unterwegs ist. Schliesslich können sie nicht einfach ausgetauscht werden. Zudem sind Luftpumpen oft für eines, maximal zwei verschiedene Ventile ausgelegt. Wer mit französischen Ventilen unterwegs ist, erleichtert sich im Pannenfall das Leben, wenn er einen Adapter mitführt. Denn so kann er an jeder Tankstelle pumpen.
Der Schlauch: Besser mit oder ohne?
Die schlauchlosen, mit Dichtungsmilch gefüllten Pneus sind besonders bei Mountainbikern beliebt. Aber auch die Graveler sind auf den Geschmack gekommen. Bei den Rennradlerinnen sieht es jedoch anders aus. Albrecht schätzt, dass nur etwa fünf Prozent von ihnen ohne Schläuche unterwegs sind, ähnlich sieht es bei den Alltagsfahrern aus.
Der Vorteil der schlauchlosen Pneus ist ihre Pannenresistenz. Reisst etwa ein Dorn ein kleines Loch in den Reifen, vermag die Dichtungsmilch im Pneu es wieder zu schliessen. «Mit ihnen gibt es auch keine Schlangenbisse», sagt Albrecht. Damit meint er jene Durchschläge, die entstehen, wenn eine Velofahrerin ein Schlagloch oder einen Randstein erwischt. Der Reifen wird dann derart komprimiert, dass der Schlauch auf die Felge gepresst und von ihr quasi «gestanzt» wird. Es entstehen zwei kleine Löcher, die dem Bild eines Schlangenbisses ähnlich sehen. Häufig entstehen diese bei tiefem Luftdruck. Wer schlauchlos unterwegs ist, kann also gefahrlos mit weniger Luft fahren und profitiert so von mehr Bodenhaftung und Komfort, als es mit Schläuchen möglich ist.
Der Nachteil der Tubeless-Reifen ist die Montage und der Unterhalt. «Viele Laien sind wegen der Flüssigkeit überfordert», sagt Albrecht. Zudem trockne die Dichtungsmilch mit der Zeit aus und müsse etwa alle sechs Monate nachgefüllt werden. In diesem Punkt sind die herkömmlichen Schläuche pflegeleichter.
E-Bike-Reifen: Markant stärker belastet
Während in der EU nur eigens dafür zertifizierte Pneus auf E-Bikes aufgezogen werden dürfen, ist dies in der Schweiz nicht vorgeschrieben. Trotzdem empfiehlt dies der Fachmann. «E-Bikes sind schwerer als andere Räder. Zudem wirken durch den Antrieb mehr Kräfte auf die Reifen», sagt er. Beides erhöhe den Verschleiss und das Pannenrisiko. Der richtige Pneu ist besonders bei den Motorisierten eine Frage der Sicherheit. «Die höheren Geschwindigkeiten wirken sich auf den Bremsweg aus, ein Reifen mit guter Haftung hilft, diesen zu verkürzen.»
Das Flicken: So einfach ist es eigentlich
Ein Loch im Pneu kann manche Ausfahrt abrupt beenden, denn nicht immer ist eine Werkstatt in Reichweite. Das muss auch nicht sein, denn im Grunde ist die Reparatur ein Kinderspiel. Sofern die Radlerin das richtige Werkzeug dabei hat. Dazu gehören: ein Ersatzschlauch oder ein Flickset mit Klebern und «Pneupflastern», zwei Reifenheber und eine Pumpe oder Luftpatronen.
Vielen Dank für ihr Interesse!
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